Einführung und Vorgehensweise
Das Projektteam von CARS 2.0 ging in den Dialog mit KMU aus der Region Stuttgart und Neckar-Alb und identifizierte mithilfe einer Umfrage die Qualifizierungsbedarfe und daraus hervorgehende Handlungsfelder von KMU. Großer Wert wurde hier vor allem auf Praxisnähe und damit das persönliche Gespräch mit den Unternehmen gelegt. Es wurde bewusst auf eine repräsentative Befragung im wissenschaftlichen Sinne verzichtet.
Ziel des Vorhabens ist es, basierend auf den Ergebnissen der Umfrage Qualifizierungsbausteine zu entwickeln, die während der Projektlaufzeit bis Mitte 2025 von interessierten KMU pilotiert werden. Die entwickelten Bausteine werden gemeinsam mit den Pilotunternehmen erprobt und evaluiert, um sicherzustellen, dass die Bausteine sich an den Bedarfen der Zielgruppe orientieren.
Die Grundlage für die strukturierte und ganzheitliche Ermittlung der Qualifizierungsbedarfe der KMU bildete die Future-Skills-Studie der Agentur Q. Diese legt die erfolgskritischen Kompetenzen für den Standort Baden-Württemberg heute und in der Zukunft dar. Aufgeteilt sind diese Kompetenzen in 4 Kategorien: Technologische Fähigkeiten, Industriefähigkeiten, Digitale Schlüsselqualifikationen und Überfachliche Fähigkeiten. Diese gliedern sich wiederum in verschiedene Future-Skills-Cluster, die Teilbereiche der übergreifenden Kategorie darstellen (für Technologische Fähigkeiten bspw. Data Science & KI).
Verteilung der Interviews
Es wurden hauptsächlich in Präsenz Einzel- und Gruppeninterviews mit insgesamt 49 Ansprechpartnern aus 38 Unternehmen durchgeführt. Von den befragten Unternehmen kommen 29% aus der Region Neckar-Alb und 71% aus der Region Stuttgart. Relativ gleichmäßig gestaltete sich die Verteilung nach Branchen (29% Handwerk, 37% Maschinenbau, 34% Automobilzulieferer). Es war das Ziel der Befragung, Akteure aus dem strategischen und operativen Geschäft zu gewinnen. Hierzu konnte eine gute Verteilung zwischen Geschäftsführung (37%), Personalleitung (27%), technischer Leitung (16%) und Aus- und Weiterbildungsleitung (12%) erreicht werden. 92% der interviewten Unternehmen kamen aus der vorher definierten Zielgruppe, KMU mit unter 1.100 Mitarbeitenden. Die übrigen 8% waren größere Unternehmen von über 1.100 Mitarbeitenden, die aufgrund ihrer oftmals bereits weiter vorangeschrittenen transformativen Entwicklung aufgenommen wurden. Sie können für kleinere Unternehmen als Impulsgeber dienen und eine Vorbildfunktion einnehmen.
Ergebnisse
Zum einen wurde die Relevanz aller Future-Skills-Cluster für das Unternehmen von den Befragten bewertet. Besonders aussagekräftig sind jedoch die Angaben zum Qualifizierungsbedarf bezüglich eines jeden Clusters. Denn obwohl ein bestimmtes Cluster für die befragten Unternehmen relevant bzw. wichtig ist, heißt es nicht automatisch, dass auch eine zusätzliche Qualifizierung in diesem Bereich vonnöten ist.
Um die Bedarfe der KMU umfassend zu verstehen, wurden diese außerdem gebeten, jeden von ihnen erkannten Qualifizierungsbedarf für ein bestimmtes Cluster genauer zu beschreiben.
Im Ergebnis wird ersichtlich, dass die „Überfachlichen Fähigkeiten“ eine besonders hohe Bedeutung haben. Unter den 10 wichtigsten Cluster befinden sich 8 Cluster aus überfachlichen Kategorien. Innerhalb der Überfachlichen Fähigkeiten wird der Qualifizierungsbedarf bezüglich des Clusters „Führungsfähigkeit“ am höchsten bewertet.
Bei den Nennungen zu den detaillierten Qualifizierungsbedarfen in der Kategorie der Überfachlichen Fähigkeiten fällt auf, dass die meisten Cluster von den Befragten als Führungsaufgabe definiert wurden (z.B. Eigeninitiative, Zielorientierung, Kommunikation). Dies betont nochmals die herausragende Stellung des Clusters Führungsfähigkeit. Zudem wurde ein hoher Bedarf bei grundlegenden Führungsfähigkeiten gesehen. Eine sehr hohe Bedeutung wird auch dem Selbstmanagement und der Veränderungsbereitschaft beigemessen.
Was „Digitale Schlüsselqualifikationen“ angeht, liegt der größte Qualifizierungsbedarf laut den befragten Unternehmen im Cluster „Grundlegende IT-Fähigkeiten“. Programmierfähigkeiten werden als sehr relevant eingestuft, der Qualifizierungsbedarf jedoch als gering bewertet. Diese Diskrepanz lässt den Schluss zu, dass die Unternehmen hier bereits gut aufgestellt sind.
Der konkrete Qualifizierungsbedarf innerhalb der Grundlegenden IT-Fähigkeiten bezieht sich vor allem auf Anwendungssysteme, Strukturierte Datenablage und DSGVO. Bei der Digitalen Kollaboration wurden hauptsächlich Bedarfe zu Tools und digitaler Interaktion genannt, was auf den Bedarf an Basiswissen hindeutet. Das gleiche gilt für die Agilen Arbeitsweisen, hier wurden vor allem Agile Methoden erwähnt.
In der Kategorie „Industriefähigkeiten“ sticht vor allem das Industrial Engineering hervor. Von der Maschinenbau- und Zuliefererbranche wird dieses Cluster als das relevanteste bewertet und weist den höchsten Qualifizierungsbedarf auf. Die Cluster Alternative Antriebstechnologien und Assistiertes und Autonomes Fahren sind dagegen fast ausschließlich für das Handwerk von Bedeutung.
Im Rahmen des Industrial Engineering liegen die konkreten Qualifizierungsbedarfe in den Bereichen Robotik, Mensch-Maschine-Interaktion und Digitaler Zwilling. Für das Handwerk geht es bei den Alternativen Antriebstechnologien vor allem um Grundlagen und die Instandhaltung von E-Fahrzeugen. Innerhalb des Clusters „Assistiertes und autonomes Fahren“ liegt der Schwerpunkt auf Diagnosetechnik und Sensorik.
In der Kategorie „Technologische Fähigkeiten“ liegen die Schwerpunkte bezüglich Qualifizierungsbedarfe in den Bereichen Data Management, Cybersecurity und Softwaregestützte Steuerung von Geschäftsprozessen. Außer im Handwerk spielen auch Intelligente Hardware und Robotik, und Data Science und KI eine große Rolle. Sensortechnik und IoT wird vor allem vom Handwerk als wichtig eingestuft und weist ebenfalls einen hohen Qualifizierungsbedarf auf.
Für die meisten dieser Themen wurde hauptsächlich Bedarf an Grundwissen genannt. Im Bereich der Künstlichen Intelligenz geht es vor allem um Wissen zu ChatGPT, die Sensibilisierung der Mitarbeitenden und die Einsatzmöglichkeiten der KI.
Für Intelligente Hardware und Robotik wurden hauptsächlich Bedarfe zu kollaborativen Robotern und SPS Programmierung genannt, letztere wurde auch in anderen Clustern erwähnt.
Fazit und weiteres Vorgehen
Besonders deutlich wurde durch die Befragung der hohe Bedarf an Führungsfähigkeiten, welche damit das zentrale Handlungsfeld darstellen. Dies wird nicht nur anhand der Bewertung des Clusters selbst erkenntlich, sondern auch dadurch, dass andere Cluster wie z.B. Eigeninitiative, Kommunikation und Resilienz von vielen Befragten als Führungsaufgabe definiert wurden.
Im Anschluss an die Befragung wurden die teilnehmenden Unternehmen, die auch als Pilotunternehmen agieren, zu einem Workshop beim Bildungswerk der Baden-Württembergischen Wirtschaft in Steinheim a.d. Murr eingeladen. In diesem Rahmen wurden vertiefend die Lernziele der verschiedenen Führungsebenen analysiert.
Dabei wurde zum einen die Unterstützung der Geschäftsführung bei der Definition und Einführung einer Unternehmenskultur als Bedarf identifiziert. Diese gibt den Rahmen für die Zusammenarbeit im Unternehmen und umfasst wichtige Themen wie Kommunikations-, Feedback-, und Meetingkultur.
Als zweiter großer Bedarf wurde ein „Werkzeugkasten für Führungskräfte“ für die erste Führungsebene in der Produktion (Team-/Schichtleitung) festgestellt. Dieser beinhaltet das persönliche Rollenverständnis sowie Basiswissen zum Thema Führung für Mitarbeitende, die aus operativen Tätigkeiten kommen und oft wenig Erfahrung und Vorwissen zu Führungsthemen haben.
Im Rahmen von CARS 2.0 schaffen wir daher mit hoher Priorität Angebote, die sich in einem ersten Schritt auf die Themen Unternehmenskultur und grundlegende Führungsfähigkeiten konzentrieren. Eine von der obersten Führungsebene definierte und gelebte Unternehmenskultur schafft über die verschiedenen Führungsebenen hinweg die Voraussetzung für eine erfolgreiche Führung und Mitarbeiterentwicklung.
Zusätzlich wurde während der Befragung der KMU ersichtlich, dass diese einen starken Wunsch nach Austauschmöglichkeiten mit anderen Unternehmen haben und sehr praxisnahe und einfach umsetzbare Qualifizierungsbausteine benötigen. Diese zusätzliche Erkenntnis bietet eine hilfreiche Orientierung für das Projektteam bei der Entwicklung von Angeboten.